Stein
Stein, Individuum des Bodens,
geballte Form voll Erinnerung
an die Anfänge des Seins:
an Druck, an Enge, an gewaltige Hitze,
äonenlang...
Damals warst du,
ohne Entrinnen und Ausweg,
Teil der Wehen der Erde,
folgtest ihrem Aufbäumen und Sich-Winden
unter orgiastischen Schmerzen,
mal stumm ergeben
wie Ton in den Händen des Töpfers,
mal mit wütend donnernden Ausbrüchen,
bis endlich der glühende Kern
das Licht der Welt erblickte.
Ein Stein warst du noch lange nicht -
doch jetzt griff der Himmel ein,
schickte peitschende Winde und Wetter
und brach in gnadenloser Beständigkeit
deinesgleichen aus dem felsigen Ganzen.
Da lagst auch du – hingeschmettert,
einer unter vielen und doch allein.
Es währte nicht lange,
da erfassten dich die Wasser
in ihrem tosenden Sturz nach unten.
Deine Ecken und Kanten brachen
beim Aufprall an unzählige Widerstände
auf deinem schmerzvollen Weg des Werdens.
Du verfingst dich schließlich
in einer Nische im Flussbett,
und erhieltest dort den letzten Schliff –
bis ein Mensch auf dich stieß,
beim Tauchen im klaren Wasser:
Staunend hob er dich auf,
umschloss dich warm mit seinen Händen
und trug dich heim – hoch erfreut über
einen ganz besonderen Stein.